Erfahrungen aus der Praxis eines ... - ISPE - DACH

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europäischen Behörden GMP- Zertifikate für. Wirkstoffe verlangt ... Hersteller im Drittland möchte GMP Zertifikat .... Grenzwert für die Reinigungsvalidierung?
Erfahrungen aus der Praxis eines Überwachungsbeamten Inspektionen in Drittländern

Jürgen Hoose Buchenalle 7a 22529 Hamburg [email protected]

Gliederung

– Rechtsgrundlagen – Vorbereitung (Wirkstoffhersteller in Drittländern) – Schwerpunkte der Besichtigung – Hauptbeanstandungspunkte – Statistik, Erfahrungen mit der EU Regelung

Entwicklung von 1982 - 2012 • Zahl der Firmen mit Erlaubnis zur Herstellung von Arzneimitteln in Hamburg; 1982: ca. 50, 2012: ca. 15 • Zahl der Firmen mit Einfuhrerlaubnis in Hamburg ; 1982: keine, 2012 : 12

Globalisierung/Tatsachen • Importe aus EU-Drittländern: 80 % aller Wirkstoffe in der EU. • Schätzungsweise 1800 verschiedene Hersteller von Wirkstoffen aus China, Indien, Korea, Taiwan und Indonesien. • 90 % aller Wirkstoffimporte nach Deutschland gehen über Hamburg

Arzneimittelgesetz • Einfuhr ist Herstellen im Sinne des EU Rechts. • Daher § 72 Abs. 1 (AMG): Einfuhrerlaubnis für: • Arzneimittel • Wirkstoffe menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft und Wirkstoffe, die auf gentechnischem Wege hergestellt werden.

Arzneimittelgesetz • Fremdinspektion erforderlich für: • Arzneimittel (keine Tier AM) • Wirkstoffe menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft und Wirkstoffe, die auf gentechnischem Wege hergestellt werden. • Ausnahme: MRA Abkommen (Australien, Neuseeland, Kanada, Schweiz und Japan) • Das MRA Abkommen muss aber Wirkstoffe enthalten (Japan)

Definition Wirkstoff mikrobieller Herkunft (amtliche Begründung zu §1 AMWH-VO) • Da bei den Wirkstoffen mikrobieller Herkunft keine Einschränkung vorgenommen wurde, sind alle Wirkstoffe erfasst, zu deren Herstellung Mikroorganismen eingesetzt wurden, unabhängig davon, ob deren Einsatz im gesamten Herstellungsverfahren oder nur für bestimmte Syntheseschritte erfolgte. • Oder: Wirkstoff, der unter Nutzung von Mikroorganismen hergestellt wird.

Inspektionsanlässe: Einfuhr von Wirkstoffen • In Hamburg gibt es keine Wirkstoffhersteller, nur Importeure, daher Inspektionen in Drittländern. • Gesetzliche Verpflichtung beim Import von AM und bestimmten Wirkstoffen. § 72a Nr.2 • Im Zulassungsverfahren werden von einigen europäischen Behörden GMP- Zertifikate für Wirkstoffe verlangt (Italien, Spanien, Portugal). • Hersteller im Drittland möchte GMP Zertifikat einer europäischen Behörde und beantragt eine Inspektion über seinen Hamburger Geschäftspartner.

Vorbereitung der Inspektion • Terminplanung: Oktober für das nächste Jahr • Ansprechpartner und Antragssteller ist Importfirma • Vorbereitung durch Importfirma (Hotel, Transport) • Dolmetscher muss unabhängig sein und vom Fach sein. • Bericht in Deutsch, Übersetzung durch Importfirma • Follow up durch Importfirma

Die Zahl der Fremdinspektionen

600 500 400 300 200 100 0 2003

2005

2007

2009

2011

Inspektorentage

Entwicklung der Inspektionen • Zahl der Inspektionsanträge nimmt zu. • Anträge betreffen Arzneimittel und Wirkstoffe • Die Zahl der Inspektionen von Wirkstoffen mikrobieller Herkunft wird prozentual geringer • Die Zahl der Inspektionen chemischer Wirkstoffe und von Arzneimitteln nimmt zu.

Vorbereitung der Inspektion • Bei neuen Firmen wird ein Fragebogen versandt • Allgemeine Fragen zur Vorbereitung der Inspektion • Spezifische Fragen zur Herstellung von Wirkstoffen mikrobieller Herkunft

Vorbereitung der Inspektion • Angeforderte Unterlagen in Englisch: – Description of the route of syntheses and all purification steps with the complete chemical structure and the INN names – Flow chart with the concrete reaction conditions (e.g. pH, pressure, temperature) used solvents, in-process control steps and the used equipments

Vorbereitung der Inspektion • Angeforderte Unterlagen in Englisch: – – – –

Site Master File Annual Product Review Liste aller SOPs (Nur Titel) SOPs über Change Control, Deviation, Supplier Qualification, Reprocessing, Reworking, Recovery – Liste aller Änderungen und Abweichungen

Vorbereitung der Inspektion • Werden alle Schritte selbst durchgeführt ? – Angabe der Auftragsunternehmen

• Wird dedicated Equipment benutzt? – Bezieht sich das auch auf die Lösemittel?

• Werden in der Firma Klasse 1 Lösemittel verwendet? – In welchem Prozess?

Zeitbedarf • Firmenaudits von 2 Tagen für einen Betrieb sind zeitlich nicht ausreichend • Für eine gründliche Inspektion ist ein höherer Zeitbedarf nötig • Zeitbedarf hängt von der Firmengröße ab • Inspektion aller Bereiche • Daher mindestens 3- 4 Tage ! • 1 Tag Lager, 1 Tag Produktion, 1 Tag QC, 1 Tag Dokumente

Schwerpunkte bei der Inspektion eines Wirkstoffherstellers • Wo gibt es Kontaminationsmöglichkeiten? (Verunreinigungen, Cross- Kontamination, Abtrennung von Sexualhormonherstellung oder Betalactamproduktion) • Reinigung von Multipurpose Anlagen • Verwendung toxischer Substanzen, Klasse 1 Lösemittel • Zeitnahe Dokumentation

Schwerpunkte bei der Inspektion eines Wirkstoffherstellers • Rundgang über das Gelände zwecks Verifizierung des Site-Plans • Statuskennzeichnung von Gebinden • Wiederverwendung von Gebinden • Kontrolle eingehender Waren im Lager

Fremdinspektionen • 2003 bis 2007 wurden durch die Hamburger Überwachungsbehörde mehr als 50 Erstinspektionen von Wirkstoffherstellern in Drittländern durchgeführt. (hauptsächlich in China und Indien) • Wirkstoffe waren mikrobieller und chemischer Herkunft • Hier die häufigsten Beanstandungen:

Fremdinspektionen • Charakterisierung des Stamms: Keine Genomanalyse, Wiederholung festlegen • Kein aseptisches Arbeiten sondern Abflammen der Öffnungen bei der Inokulation. • Fremdverkeimungen: Keine SOP über Vorgehensweise

Fremdinspektionen • Fremdverkeimungen: Keine mikrobiologische Differenzierung der gefundenen Kontamination, keine Ursachenforschung und keine Dokumentation dieser Abweichungen. • Trotz Kontamination wurden Ansätze aufgearbeitet, fehlende Risikobetrachtung bezüglich des Produktes. • Fermenter: Keine permanente Aufzeichnung des Drucks im Fermenter, systematische Betrachtung der Schwachstellen fehlte. (Rührer, Kühlsystem, Dichtigkeit)) • Sterilisationsbedingungen des EUAB werden nicht eingehalten und dokumentiert.

Fremdinspektionen • Mängel die nicht spezifisch für die Herstellung Wirkstoffe mikrobieller Herkunft waren: • Dedicated Equipment war die Regel, aber: • Dedicated Equipment war nur für den Wirkstoff, nicht für die verwendeten Lösungsmittel dedicated (Klasse 1 Lösemittel), keine Logbücher

Klasse 1 Lösemittel

Abweichungen • Abweichungen: Fehlende systematische Erfassung, Bewertung und Einteilung • Mitarbeiter sind nicht geschult, Abweichungen zu erkennen • KAPA fehlt • QA ist nicht beteiligt • Geplante Abweichungen

Änderungen • Es werden Änderungen vorgenommen ohne das dafür vorgesehene Verfahren einzuhalten • Änderungen: Beginn und Genehmigung innerhalb von 2 Tagen • Es werden Änderungen nicht systematisch bewertet, QA ist nicht beteiligt • Es ist keine Information von Kunden (häufigste Beanstandung) über vorgenommene Änderungen vorgesehen. • Die vorherige Genehmigung von Änderungen durch den Kunden ist nicht vorgesehen • Es fehlen Verträge mit den Kunden, die den Umgang mit Änderungen regeln.

Batch Record • Batch Record: – – – –

Etikettierung ist nicht Teil des Batch records Keine Toleranzen vorgegeben (Einwaagen) Keine Grenzen für IPC Kontrollen (Zeit, Temperatur) Kritische Inprozesskontrollen nicht bekannt oder hervorgehoben (Entwicklungsbericht mangelhaft) – Keine Freigabe

• Keine Risikoanalyse

Kennzeichnung • Kennzeichnung der Wirkstoffe und Zwischenprodukte nicht nach ICH Q7 • Kennzeichnung von Rohmaterialien mangelhaft • Es fehlen Chargennummern auf den Gebinden der eingehenden Rohmaterialien • Daher keine Eingangskontrolle möglich

Eingangsprüfung • Unzureichende Prüfungen von Ausgangsmaterialien: häufig – z.B. keine Bestimmung von flüchtigen Verunreinigungen in Lösungsmitteln auch in LM, auf die im Endprodukt geprüft wird. (Benzol in Aceton) – Keine spezifischen Identitäts- und Gehaltsprüfung eines Key Intermediates (Verhalten gegen Schwefelsäure, Schmelzpunkt, Siedepunkt)

Lieferantenqualifizierung • Mangelhafte Lieferantenbewertung: häufig – Keine Festlegung von kritischen Materialien – Keine Genehmigung von Lieferanten und Audits von Lieferanten kritischer Materialien – Kein Auditplan oder Einhaltung des Plans – Keine Unterscheidung zwischen Herstellern und Händlern – Mangelnde Kenntnisse über das Herstellungsverfahren – Mangelnde Kenntnisse über Vorlieferanten

Reworking etc. • Reworking, Reprocessing und Recovery: • Mangelnde Informationen dazu im Site Master File und Annual Product Review • Aufgearbeitete Chargen für den heimischen Markt entsprachen nicht dem EUAB • Keine Unterscheidung von Reprocessing und Reworking • Aufarbeitung von Mutterlaugen wird verschwiegen

Wirkstoff ist nicht immer der gleiche • Wirkstoff wird in verschiedenen Workshops auf dem gleichen Betriebsgelände hergestellt. • Unterschiede in den Standards (Gebäude und Ausrüstung) • Unterschiede im Syntheseverfahren (Patentumgehung) • Unterschiede bei den Lösungsmitteln (Verwendung von Klasse 1 Lösemittel für den nicht regulierten Markt) • Zahl der Workshops wird verschwiegen

Kommt der Wirkstoff wirklich aus der inspizierten Firma • Es werden Scheinfabriken präsentiert. • Der gelieferte Wirkstoff stammt aus einer anderen Fabrik eines anderen Herstellers • Die angegebenen Adressen sind nicht zu verifizieren, da häufig Straßennamen und Hausnummern fehlen • Die Ermittlung definierter Ortskoordinaten ist notwendig (GPS).

Neutralisieren • Neutralisieren durch Umetikettierung, dies passierte bisher im Hamburger Hafen • Neutralisieren durch Einkauf von Wirkstoffen in China und Umkristallisieren im eigenen Betrieb (letzter Schritt). • Ist diese Tatsache den Zulassungsbehörden und den Kunden bekannt?

Reinigungsvalidierung • Cytostatika oder Stoffe mit Betalactamstruktur in gleicher Anlage wie andere Wirkstoffe • Minimale therapeutische Dosis von Cytostatika als Grenzwert für die Reinigungsvalidierung? • Kein Konzept, welche Anlagenteile für welche Wirkstoffe Verwendung finden • Anlage ist schwer zu reinigen (tote Rohrleitungen, Flanschen Ventile, Pumpen etc.) • Keine detaillierte Reinigungsvorschrift (Austausch von Dichtungen, Plastikmaterialien) • Last rinse und swabs gar nicht möglich

Inspektionsergebnisse/Erstinspektionen 20 15 Inspektionen Zertifikate

10 5 0 2003 2004 2005 2006 2007

Entwicklung der Inspektionen • Von insgesamt 54 Erstinspektionen waren 32 erfolgreich • Was passierte mit den anderen 22 inspizierten Firmen: – Wurden nicht wieder durch unsere Behörde inspiziert – Importeure haben das Geschäft aufgegeben, da die Kosten zu hoch sind (20.000 € pro Inspektion) – Der Aufwand, die Hersteller auf ein akzeptables GMPNiveau zu bringen, ist zu hoch (Zeitaufwand) – Es gab damals 2003 - 2007 noch kein Informationssystem über serious non GMP compliance

Entwicklung der Inspektionen • Ab 2007 wurde zunehmend Reinspektionen durchgeführt, daher ist die Zahl der ausgestellten Zertifikate inzwischen über 90 %. • Die Importeure haben dazu gelernt. • Wir inspizieren inzwischen modernere Fabriken, die neuere Produkte herstellen als in den ersten Jahren: • Mehr chemische, moderne Wirkstoffe, die in Europa noch unter Patentschutz stehen, weniger alte Antibiotika • Außer Wirkstoffen auch Arzneimittel mit steigender Tendenz.

Reinspektionen • Seit 2007 werden regelmäßig Reinspektionen durchgeführt • Die Abarbeitung des Plans für die Mängelbeseitigung der vorherigen Inspektion wurde immer überprüft • Der Zeitaufwand dafür ist beträchtlich • Firmen waren bei der 1. Inspektion akzeptiert worden, bei der Reinspektion nicht erfolgreich.

Reinspektionen • Ergebnisse: – Einiges wurde verbessert – Nicht alles, was als umgesetzt gemeldet wurde, wurde auch umgesetzt. – Eine grundsätzliche Übertragung der gefundenen Defizite auf Bereiche, die bei der ersten Inspektion nicht besichtigt wurden, findet nicht statt. – Die gleichen Mängel waren auch in anderen, bisher nicht besichtigten Workshops vorhanden. – Die Reinspektionen waren manchmal zeitaufwendiger als die erste.

Regelungen in der EU • Die Tatsache, dass Hersteller nach der Inspektion nicht zertifiziert wurden, hatte bis 2008 keine Auswirkungen auf den Export nach Europa • Seit 2008 EU GMP Non Compliance Meldungen mit ernsthaften Konsequenzen für AM Hersteller • Kunden hatten bei den von unserer Behörde nicht zertifizierten Herstellern vorher oder auch nacher Audits durchgeführt und diese akzeptiert. • Auditberichte, die vorher eingesehen wurden entsprachen nicht der Realität

Interessenkonflikte • Der AM - Hersteller muss selbst den GMP Status des Wirkstoffherstellers feststellen. • Interessenkonflikt auch für Third Party Auditor: • Bei Non Compliance muss – Ein neuer Lieferant gefunden werden – Eine genehmigungspflichtige Änderung bei den Zulassungsbehörden in die Wege geleitet werden

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