Leseprobe Elektrische Maschinen und Antriebe - VDE-Verlag

16 downloads 5442 Views 50KB Size Report
Ein elektrischer Antrieb ist eine funktionale Einheit aus einem Elektromotor und geeigneten ... ten Arbeitsmaschinen angetrieben [Jäger, 1998]. Kleinste ...
12 Elektrische Antriebe Ein elektrischer Antrieb ist eine funktionale Einheit aus einem Elektromotor und geeigneten Energieversorgungs-, Schutz- sowie Steuer- oder Regeleinrichtungen. Mit elektrischen Antrieben werden in Industrie und Haushalt die unterschiedlichsten Arbeitsmaschinen angetrieben [Jäger, 1998]. Kleinste Leistungen im Mikrowatt-Bereich (z. B. bei einer Armbanduhr) bis hin zu größten Leistungen im Megawatt-Bereich (z. B. beim Intercity Express) werden hierbei bereitgestellt. Als industrielle Antriebsmotoren kommen vorwiegend der Drehstromasynchronmotor in Käfigläuferbauart und der fremderregte Gleichstrommotor zum Einsatz. Die Motoren werden überwiegend in drehzahlstarren Antrieben eingesetzt, d. h., sie laufen mit einer festen Drehzahl. Infolge der Anforderungen in der Produktions- und Verfahrenstechnik steigt jedoch, ermöglicht durch die Fortschritte in der Stromrichtertechnik, der Anteil an drehzahlvariablen Antrieben ständig. Der Einsatz solcher Antriebe führt oft auch zu einer erheblichen Energieeinsparung. Der Drehstromasynchronmotor als wartungsarmer und robuster Motortyp wird, in Kombination mit einem Umrichter, zu einer immer stärkeren Konkurrenz für drehzahlvariable Gleichstromantriebe. Um die Drehzahl eines Antriebs variabel zu gestalten, werden Drehzahlsteuerungen eingesetzt, aber auch Drehzahlregelungen, wenn die Drehzahl besonders genau eingestellt werden soll. Zur Einstellung der Drehzahl muss der Strom im Antriebsmotor gezielt vorgegeben werden. Das geschieht in modernen Antrieben mit Hilfe von Stromrichtern. Diese enthalten leistungselektronische Bauelemente wie Dioden, Thyristoren und Leistungstransistoren und werden in der Regel mit Hilfe von Mikroprozessoren (μP) gesteuert. Auf die vielfältigen Aspekte der Leistungselektronik [z. B. Jäger; Stein, 2007] und der Regelung in der Antriebstechnik [z. B. Schröder, 2001] kann im Rahmen dieses einführenden Werks nur sehr begrenzt eingegangen werden. Daher beschränkt sich dieses Kapitel auf die grundlegenden Konzepte von elektrischen Antrieben mit Drehstromasynchronmotoren und fremderregten Gleichstrommotoren.

12.1 Einführende Übersicht 12.1.1 Leistungsantrieb Ein elektrischer Antrieb setzt sich zusammen aus einem Elektromotor M, der direkt oder über einen Stromrichter mit einem Gleich-, Wechsel- oder Drehstrom-

333

netz verbunden ist, und einer Steuerung bzw. Regelung zur Einstellung der antriebsrelevanten Größen (Bild 2.1). Netz

Stromrichter

M

Steuerung bzw. Regelung

Welle

Getriebe

Arbeitsmaschine

Leistungsantrieb

Bild 12.1 Elektrischer Leistungsantrieb mit mechanischer Last an der Welle Die Gesamtheit aus Elektromotor, Stromrichter und Antriebssteuerung bzw. Antriebsregelung wird gemäß der Europäischen Norm EN 61800-3 als Leistungsantrieb (engl. Power Drive System) bezeichnet. Die an der Welle des Motors (evtl. über ein Getriebe) angekoppelte Arbeitsmaschine gilt nicht als Teil des Leistungsantriebs. Der Stromrichter sorgt für die elektrische Anpassung des Motors an das Netz. Dies ist z. B. dann erforderlich, wenn ein Gleichstrommotor an einem Drehstromnetz betrieben werden soll. Die Steuerung bzw. Regelung beeinflusst den Stromrichter über Steuerleitungen. Der Regelung werden zur Festlegung der Steuergrößen geeignete Messgrößen aus dem Stromrichter und dem Motor zugeführt. Stromrichter und Steuerung bzw. Regelung bilden üblicherweise eine Einheit. Der elektrische Motor entnimmt über den Stromrichter elektrische Energie aus dem Netz und wandelt sie in mechanische Energie um. (Manche Antriebe lassen auch eine Energierückspeisung ins Netz zu, wenn der Motor als generatorische Bremse eingesetzt wird.) Der Motor ist mechanisch direkt oder über ein Getriebe, oft unter Zwischenschaltung einer Kupplung [z. B. Kümmel, 1986], mit der Arbeitsmaschine gekoppelt. Die Arbeitsmaschine (z. B. ein Bohrwerk oder eine Pumpe) ist eine mechanische Vorrichtung zur Erzeugung oder Übertragung von Kräften und verrichtet eine technisch nutzbare Arbeit. Das eventuell vorhandene Getriebe passt den Motor mechanisch an die Arbeitsmaschine an (z. B. zwecks Reduktion des Lastmoments oder des Trägheitsmoments der Last). Die unterschiedlichen Anforderungen an das Drehzahl- und Drehmomentverhalten in der industriellen Antriebstechnik werden erfüllt mit Hilfe von

334

• ungesteuerten Antrieben • gesteuerten Antrieben • geregelten Antrieben

12.1.2 Ungesteuerte, gesteuerte und geregelte Antriebe 12.1.2.1

Ungesteuerter Antrieb

Im einfachsten Fall wird der Motor M ohne Stromrichter und ohne Steuer- und Regeleinheit direkt am (starren) Netz betrieben (Bild 12.2), z. B. ein Drehstromasynchronmotor am Drehstromnetz. n Netz

M

Arbeitsmaschine

Bild 12.2 Ungesteuerter Antrieb (Motor M) mit Arbeitsmaschine Diese Art von elektrischen Antrieben nennt man ungesteuerte Antriebe. An sie werden keine besonderen Anforderungen bezüglich Drehzahlgenauigkeit und Drehzahlkonstanz gestellt. Durch das Zusammenspiel von Motor- und Lastmoment stellt sich eine bestimmte feste Motordrehzahl ein. 12.1.2.2

Gesteuerter Antrieb

Wenn die Drehzahl des Antriebs veränderbar sein soll, aber an ihre Genauigkeit und Konstanz nur geringe Anforderungen gestellt werden, wird ein gesteuerter Antrieb verwendet. In Bild 12.3 ist als Beispiel ein drehzahlgesteuerter Drehstrommotor dargestellt, der als Arbeitsmaschine AM ein Gebläse antreibt, dessen Luftdurchsatz kontinuierlich verstellt werden kann. 3 ~ Netz Umrichter Steuergrößen

U(f)

M 3~

n AM Gebläse

Antriebssteuerung

nSoll

Bild 12.3 Drehzahlsteuerung eines Drehstromasynchronmotors

335