Mit der Sonne durch die Nacht - Deutsche Bank

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AN RE. VIL. LARD/REZ. O.CH. Mit der Sonne durch die Nacht ... flugzeug auch nachts nicht abstürzt – .... Rund 70 Inge- nieure, Physiker, Informatiker, Elektriker.
Mit der Sonne durch die Nacht Die Schweizer Piloten Bertrand Piccard und André Borschberg wollen mit einem solargetriebenen

Thesen

FOTO: SOLAR IMPULSE/JEAN REVILLARD/REZO.CH

3 Mutiger Plan: Eine Weltumrundung in einem Solarflugzeug – der Abenteurer und Wissenschaftler Bertrand Piccard will so die beiden Menschheitsträume von Fliegen und nachhaltiger Energienutzung vereinen. 3 Herausforderung Dunkelheit: Voraussetzung für das Gelingen ist, dass das Solarflugzeug auch nachts nicht abstürzt – riesige Batterien müssen tagsüber ausreichend Energie speichern. 3 Beeindruckende Technik: Die Herausforderungen an die Ingenieure sind enorm: Das Flugzeug mit der Spannweite einer A 340 muss mit der Power eines Motorrollers auskommen.

Ü

ber dem Brüsseler Flughafen Zaventem war bereits die Dämmerung angebrochen, als die „Solar Impulse HB-SIA“ in Sichtweite kam. Hunderte Schaulustige, darunter der belgische Kronprinz Philippe, erspähten kurz nach 21 Uhr am Himmel aufgereihte Lichter, die sich langsam näherten. Dann begann sich die Silhouette des filigranen Flugzeugs abzuzeichnen, das am Morgen in der Schweiz gestartet war. Ein schlanker

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Perspektiven Solar Impulse

Arbeit rund um die Uhr: Die „Solar Impulse“ wird vor Sonnenaufgang für den nächsten Flug vorbereitet

Flugzeug die Welt umrunden – unterstützt von der Deutschen Bank. Inzwischen sind sie schon international unterwegs. Doch es gibt auch Rückschläge

Rumpf, ein kleines Cockpit, zwei majestätische Tragflächen mit einer Spannweite von 63 Metern. Langsam sank die „Solar Impulse“ herab, dann setzte sie um 21.39 Uhr samtweich auf dem Rollfeld auf. Die Menge jubelte. Gerade hatte das Flugzeug, das allein mit Sonnenenergie angetrieben wird, seinen ersten internationalen Flug absolviert – völlig problemlos, gab Pilot André Borschberg den wartenden Journalisten zu Protokoll.

Der Flug vom Schweizer Militärflughafen Payerne nach Brüssel, der zwölf Stunden und 59 Minuten gedauert hatte, war von großer Bedeutung für das Team um die Initiatoren und Piloten Borschberg und Bertrand Piccard. Die beiden Pioniere haben sich vorgenommen, im Jahr 2014 mit ihrem Solarflugzeug die Welt zu umrunden. Mit dem Flug nach Brüssel wollten sie beweisen, dass ihr Flugzeug große Distanzen überwinden kann – trotz der schweren

Batterien an Bord, die den Solarstrom zwischenspeichern. Piccard und Borschberg arbeiten schon seit 2003 an ihrem Projekt. Nicht nur die Lust auf eine Pionierleistung treibt die beiden Männer an, sondern auch der Wunsch, eine Botschaft in die Welt hinauszutragen. „Wir glauben an die Kraft der Symbole“, sagt Piccard. „Wir wollen beweisen, dass wir mit den heutigen sauberen Technologien die Abhängigkeit unserer R

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Perspektiven Solar Impulse

Ziel Weltumrundung Seit acht Jahren arbeiten Piccard und seine Kollegen an ihrem Ziel. In drei Jahren soll es so weit sein. 3 28. 11. 2003: Der Startschuss für das Projekt fällt, nachdem eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne ergeben hat, dass die Weltumrundung mit einem Solarflugzeug möglich ist.

„Mit erneuerbarer Energie unmögliche Sachen machen“

3 bis 2009: Bertrand Piccard, André Borschberg und ihre Techniker planen, entwickeln und bauen den Flugzeugprototyp „Solar Impulse HB-SIA“.

Bertrand Piccard will beweisen, dass die Geschichte der Solarkraft gerade erst begonnen hat. Die Deutsche Bank ist ein Hauptpartner seines Projekts

3 2009: Die Piloten absolvieren Startversuche mit der „Solar Impulse“ in der Schweiz, es folgen erste Testflüge. 3 8. 7. 2010: Die „Solar Impulse“ bleibt 26 Stunden lang ohne Zwischenlandung in der Luft, das Flugzeug fliegt erstmals eine ganze Nacht hindurch. 3 13. 5. 2011: Das Solarflugzeug fliegt innerhalb von 13 Stunden vom Schweizer Militärflugplatz Payerne nach Brüssel, der erste grenzüberschreitende Flug ist geglückt. R Gesellschaft von fossilen Energien reduzieren

3 11. 6. 2011: André Borschberg bricht den Flug von Brüssel nach Paris wegen starken Gegenwinds und technischer Probleme auf halber Strecke ab. 3 14. 6. 2011: Die „Solar Impulse“ fliegt von Brüssel nach Paris zur Luftfahrtmesse Le Bourget, wo die Messebesucher das Flugzeug besichtigen können. 3 2012: Ein zweiter Prototyp des Flugzeugs soll mehrtägige Langstreckenflüge absolvieren.

FOTO: SOLAR IMPULSE/LE TRUC

3 2014: Für jenes Jahr planen Piccard und Borschberg den Versuch, mit der „Solar Impulse“ die Welt zu umrunden.

„Solar Impulse“ und die neue Airbus 340 im Größenvergleich: Nur die Spannweite der beiden Flugzeuge ist fast identisch. Bei Gewicht und Power sind die Unterschiede dagegen gewaltig

können. Was wir in der Luft schaffen, kann auch jeder auf der Erde in seinem Alltag tun.“ Die beiden Schweizer sind ein ideales Paar für ein solches Projekt. Borschberg ist ausgebildeter Militärflieger und professioneller Flugzeug- und Hubschrauberpilot. Und Piccard stammt aus einer Familie von Pionieren: Der Großvater Auguste stellte 1932 einen Höhenweltrekord auf, als er mit einem Gasballon 23 000 Meter hoch aufstieg. Dem Vater Jacques gelang im Jahr 1960 ein Tauchgang auf den Grund des Challengertiefs im Marianengraben – mit fast 11 000 Metern bis heute Weltrekord. Und auch Bertrand Piccard hat bereits eine aufsehenerregende Höchstleistung vollbracht: 1999 umrundete er als erster Mensch ohne Zwischenlandung in einem Ballon die Erde. Borschberg und Piccard verstehen es, andere mit ihrer Begeisterung anzustecken. Das gilt nicht nur für die Deutsche Bank, die das Projekt als ein Hauptpartner unterstützt. „Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien“, sagt Sabine Miltner, Nachhaltigkeitsbeauftragte für die Deutsche Bank Gruppe. „Diesen Ansatz verfolgt die Deutsche Bank seit jeher, und es ist uns wichtig, innovative Projekte wie Solar Impulse zu unterstützen, die die Potenziale erneuerbarer Energien aufzeigen.“ Nachdem „Solar Impulse“ in Brüssel gelandet war, pilgerten Tausende Besucher zum Flugha-

fen, um sich das Solarflugzeug anzuschauen und mit den Pionieren zu sprechen. Außerdem trafen die Schweizer sich in Brüssel mit ranghohen Vertretern der Europäischen Union. Mehrere Mitglieder der Europäischen Kommission sowie der Präsident des Europäischen Parlaments wollten Details zur geplanten Weltumrundung erfahren. „Diese Woche hat uns gezeigt, dass die europäischen Behörden bereit sind, sich ambitionierte Energie- und Umweltziele zu setzen, obwohl es von vielen Seiten Widerstand dagegen gibt“, freute sich Piccard. Die euphorische Stimmung hielt nicht lange, der Dämpfer folgte am 11. Juni. Für diesen Tag hatte Pilot Borschberg geplant, die „Solar Impulse“ von Brüssel nach Le Bourget nahe Paris zu fliegen, wo das Flugzeug der Stargast der internationalen Luftfahrtmesse werden sollte. Doch der Abflug in Brüssel verzögerte sich immer wieder, weil starke Windböen Regenschauer über die belgische Hauptstadt trieben. Erst um 18.36 Uhr gelang schließlich der Start. Doch weil Borschberg unter dicken Wolken flog, luden sich die Batterien des Flugzeugs nicht auf, starker Gegenwind kam hinzu – zu viel für die „Solar Impulse“. Auf halbem Weg nach Paris brach Borschberg den Flug ab und kehrte nach Brüssel zurück. „Dieser Rückschlag zeigt den Kern dessen, wofür ‚Solar Impulse‘ steht“, versuchte er dem Scheitern etwas Positives abzugewinnen. „Es ist ein Ex-

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Pilot André Borschberg : Seine wichtigste Aufgabe in der Luft ist das Energiemanagement – er muss mit minimaler Kraft auskommen

periment, also machen wir Versuche, die nicht unbedingt erfolgreich sind.“ Und Piccard gab zu, dass noch viel Arbeit vor den Konstrukteuren liegt: „Die Erfolge der ersten Flüge haben den falschen Eindruck vermittelt, dass es leicht ist.“

Flug über Grenzen: Die Reise von Genf nach Brüssel war einer von vielen Tests. Die Erfahrungen fließen in den Bau eines neuen Flugzeugs ein, das dann die Erde umrunden soll

„Solar Impulse“ im Detail Die technischen Daten des Flugzeugs 3 Spannweite: 63,40 m 3 Länge: 21,85 m 3 Höhe: 6,40 m

FOTOS: SOLAR IMPULSE/JEAN REVILLARD/REZO.CH

DIE PIONIERE STEHEN vor einer ungeheuren technischen Herausforderung. Rund 70 Ingenieure, Physiker, Informatiker, Elektriker und Verbundwerkstoff-Spezialisten arbeiten daran, das Flugzeug fit für den Flug um den Globus zu machen. Dazu muss es vor allem leicht sein, denn jeder der vier Elektromotoren erreicht gerade einmal eine Leistung von rund zehn PS. Die Struktur des Flugzeugs besteht aus ultraleichten Carbonfasern. Dennoch wiegt die „Solar Impulse“ mit 1600 Kilogramm ungefähr so viel wie ein Mittelklasseauto. Dafür sind auch die insgesamt 400 Kilogramm schweren Lithium-Polymer-Batterien verantwortlich, die den Strom aus den Solarzellen speichern. Die „Solar Impulse“ verfügt über 11 628 Zellen aus monokristallinem Silizium, die auf den Tragflächen und am Höhenruder angebracht sind. Sie setzen lediglich 22 Prozent des Sonnenlichts in elektrische Energie um, denn Zellen mit einem höheren Wirkungsgrad wären deutlich schwerer gewesen. Dass das Flugzeug trotz dieser Widrig-

3 Motorisierung: 4 elektrische 10-PS-Motoren 3 Zahl der Solarzellen: 11 628 3 Gewicht: 1600 kg 3 Durchschnittsgeschwindigkeit: 70 km/h 3 Startgeschwindigkeit: 44 km/h 3 Abrissgeschwindigkeit: 35 km/h 3 Maximale Reiseflughöhe: 8500 m

keiten lange Strecken fliegen kann, verdankt es auch seiner enormen Spannweite, so groß wie die einer Airbus 340. Doch die „Solar Impulse“ ist äußerst anfällig für die Einflüsse von Wind und Wetter. Wegen der geringen Geschwindigkeit des Flugzeugs – im Durchschnitt 70 Kilometer pro Stunde – eignet es sich nur bedingt für Flüge mit Gegenwind. Außerdem ist der Pilot darauf angewiesen, dass tagsüber keine Wolken die Sonne verdecken. Nur dann können sich die Batterien voll aufladen und dem Flugzeug genügend Energiereserven für die Nacht

verschaffen. „Damit dies möglich wird, muss aus jedem einzelnen Watt, das die Sonne zur Verfügung stellt, das Maximum herausgeholt und in den Batterien gespeichert werden“, sagt Borschberg. Noch in diesem Jahr wollen die Konstrukteure beginnen, ein zweites Modell ihres Solarflugzeugs zu konstruieren und zu bauen. Dabei sollen die Erkenntnisse einfließen, die Piccard und Borschberg bei ihren jüngsten Flügen gewonnen haben. So wollen sie das Gewicht noch weiter reduzieren, indem sie Solarzellen einbauen, die mit 0,1 Millimeter abermals dünner sind als die im Prototyp. Dass Piccard und Borschberg sich von Rückschlägen nicht beeindrucken lassen, bewiesen die beiden Männer schon drei Tage später, als sie einen erneuten Versuch unternahmen, die „Solar Impulse“ nach Le Bourget zur Luftfahrtmesse zu bringen. Diesmal gelang der Flug, obwohl Borschberg zwischen zwei Schlechtwetterfronten hindurchsteuern musste. Und wie zur Belohnung zog das Solarflugzeug auf der Luftfahrtmesse ähnlich viele Neugierige an wie die neuesten Passagierund Frachtmaschinen von Airbus und Boeing. Ein „fliegendes Nichts“ sei in diesem Jahr der Star der Pariser Luftfahrtmesse, titelte die „Süddeutsche Zeitung“. Es wird wahrscheinlich nicht das einzige Mal gewesen sein. O C H RISTOPH H US

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